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Nagelpilz behandeln in der Podologie – was wirklich hilft – Von Tabletten bis Kaltplasma

Wenn Hausmittel und Lacke versagen

Nagelpilz (Onychomykose) ist in Deutschland weit verbreitet – etwa 10–15 % der Bevölkerung sind betroffen.
Viele beginnen mit frei verkäuflichen Cremes oder Lacken, doch meist bleibt der Erfolg aus. Studien zeigen:
➡️ Die Heilungsrate reiner rezeptfreier Mittel liegt unter 1 %.

Das liegt nicht an falscher Anwendung, sondern an der Biologie des Nagels:
Die Hornplatte ist so dicht, dass Wirkstoffe aus frei verkäuflichen Produkten kaum bis zur Infektionsstelle gelangen.
Wer also trotz monatelanger Selbstbehandlung keine Besserung sieht, sollte den Weg zum Podologen oder Hautarzt wählen – dort beginnt die gezielte Diagnostik und Therapie.


Diagnose: Ist es wirklich Nagelpilz?

Nicht jeder verdickte, verfärbte oder bröckelige Nagel ist pilzbefallen. Ähnliche Veränderungen entstehen durch:

  • chronische Druckbelastung oder Trauma,
  • Schuppenflechte (Psoriasis),
  • Ekzeme oder Durchblutungsstörungen,
  • selten auch durch bakterielle Infektionen.

Darum ist eine Labordiagnose Pflicht, bevor Medikamente eingesetzt werden.
Podologinnen oder Dermatologinnen entnehmen dabei eine Nagelprobe, die unter dem Mikroskop untersucht oder im Labor kultiviert wird. Nur ein positiver Pilznachweis rechtfertigt eine spezifische Therapie.


Podologische Vorbereitung: Der erste wirksame Schritt

Unabhängig von der späteren Behandlung ist die mechanische Vorbereitung durch den Podologen entscheidend.
Verdickte, verfärbte Nagelanteile werden:

  • fachgerecht gekürzt und ausgedünnt,
  • Pilztrümmer und Ablagerungen entfernt,
  • die Nagelplatte geöffnet, damit Medikamente oder physikalische Methoden besser wirken können.

Diese Vorbereitung ist die Grundlage jeder erfolgreichen Therapie – ob topisch, systemisch, laserbasiert oder mit Kaltplasma.


Wann welche Therapie sinnvoll ist – Leitliniengerecht entscheiden

Die Wahl der Therapie richtet sich nach zwei Hauptkriterien:

  1. Befallsausmaß: Wie viel Prozent der Nagelplatte sind betroffen?
  2. Befallslokalisation: Sitzt der Pilz distal (an der Spitze) oder proximal (matrixnah, also am Nagelursprung)?

Beide Faktoren bestimmen, ob eine topische Behandlung genügt oder eine systemische Therapie erforderlich ist.

SchweregradBefallsausmaß / LokalisationTypisches BildEmpfohlene Therapie (AWMF 013-003)
Leicht≤ 50 % der Nagelplatte, kein Matrixbefall, 1–2 Nägeldistaler Befall (Nagelspitze), DLSOTopische Therapie mit Amorolfin oder Ciclopirox + podologische Bearbeitung
Mittel> 50 % der Nagelplatte oder mehrere Nägelausgedehnter DLSOSystemische Therapie (z. B. Terbinafin 250 mg/Tag für 6–12 Wochen) + topische Ergänzung
SchwerMatrixnahe (proximale) Beteiligung, totale Dystrophie, RückfällePSO, TDOKombinationstherapie (Systemisch + Topisch + Podologie), ggf. Laser / Kaltplasma additiv
SonderformCandida- oder weiße superfizielle Onychomykoseoberflächlicher, weißlicher Belagmeist topisch ausreichend, ggf. kurze Systemtherapie bei Rezidiv

🔹 Matrixbeteiligung – das entscheidende Kriterium

Wenn der Pilz proximal, also matrixnah wächst, erreichen Lacke die Erreger nicht mehr.
Solche Fälle gelten automatisch als systemische Therapieindikation, da nur Tabletten (z. B. Terbinafin, Itraconazol) ausreichend tiefe Wirkstoffspiegel im Nagelbett und in der Matrix erzielen.


Therapieoptionen im Überblick

🔸 1. Systemische Therapie (Tabletten)

WirkstoffHandelsnameDosierung / DauerHeilungsrateBesonderheiten
TerbinafinLamisil®, Terbinafin-ratiopharm®250 mg täglich × 6–12 Wochen~ 70 %Leberwerte prüfen; Goldstandard bei Dermatophyten
ItraconazolSempera®, Itraconazol AL®Puls-Therapie: 2× 200 mg/Tag für 1 Woche / Monat × 3–4 Monate60–65 %Alternative, aber mehr Interaktionen
FluconazolDiflucan®150–300 mg 1× wöchentlich über Monate60–70 %gut verträglich, aber langsamer Wirkungseintritt

Sicherheit:
Schwerwiegende Leberschäden unter Terbinafin sind extrem selten (ca. 1 Fall pro 100 000 Behandlungen).
Dennoch wird empfohlen, Leberwerte vor und ggf. während der Therapie zu kontrollieren.


🔸 2. Topische Therapie (Lacke & Lösungen)

PräparatWirkstoffAnwendungBesonderheit
Loceryl® / AmorolfinAmorolfin 5 %1–2× pro Wochebreites Spektrum gegen Dermatophyten, Hefen
Ciclopoli®Ciclopirox 8 %täglichgute Penetration, auch antibakteriell
Excilor®Milchsäure / Ethyllactattäglichphysikalischer pH-Effekt, ergänzend

👉 Bei geringem Befall kann die topische Therapie ausreichend sein, vorausgesetzt, der Nagel wird regelmäßig professionell bearbeitet.
Bei > 50 % Befall oder Matrixnähe ist sie nur als Ergänzung sinnvoll.


🔸 3. Lasertherapie

ParameterBeschreibung
PrinzipHitzeenergie zerstört Pilzhyphen, verbessert Nagelwachstum
Ablaufmeist 1 Sitzung / Monat über 4–6 Monate
Erfolg60–70 % (in Kombination höher)
Vorteilkeine systemische Belastung, schmerzarm
NachteilSelbstzahlerleistung (40–70 € pro Sitzung)
LeitlinieLaser derzeit nicht als Standard empfohlen, nur additiv

Laser können in der Podologie eine wertvolle Ergänzung sein – insbesondere, wenn systemische Medikamente kontraindiziert sind.


🔸 4. Kaltplasma-Therapie (Cold Atmospheric Plasma – CAP)

Wirkprinzip

Kaltplasma erzeugt reaktive Sauerstoff- und Stickstoffmoleküle (RONS), die Pilzzellen oxidativ schädigen, ohne umliegendes Gewebe zu verbrennen.

Aktuelle Evidenz

StudienlageErgebnis
Labor / In-vitroCAP hemmt Trichophyton rubrum & mentagrophytes
Klinische Pilotstudiensichtbare Verbesserung, aber geringe mykologische Heilungsraten (10–30 %)
Randomisierte Studienbislang unzureichend vorhanden
Leitlinie AWMF 013-003Plasmatherapie als Neuland, keine Standardempfehlung

👉 Fazit: CAP ist vielversprechend, gut verträglich und kann additiv eingesetzt werden – aber derzeit nicht leitliniengestützt.
In der Praxis kann CAP als ergänzende IGeL-Leistung angeboten werden, sollte aber nicht anstelle systemischer oder topischer Therapie erfolgen.


Der Goldstandard: Kombination ist Trumpf

In der Praxis zeigt sich:
Je konsequenter verschiedene Methoden kombiniert werden, desto höher ist die Heilungswahrscheinlichkeit.

Empfohlene Kombination:

  1. Systemische Therapie (z. B. Terbinafin)
  2. Topischer Lack (Amorolfin oder Ciclopirox)
  3. Podologische Nagelbearbeitung (Fräsen, Kürzen)
  4. Optional: Laser oder Kaltplasma zur Unterstützung

➡️ Heilungsraten bis 90 % sind möglich, wenn die Behandlung konsequent über Monate fortgeführt wird.


Geduld und Konsequenz – der Schlüssel zum Erfolg

ZeitraumWas passiert
0–3 Monateerste Aufhellung, Verbesserung der Nagelwurzelregion
6 Monategesundes Nagelwachstum sichtbar
9–12 Monatevollständiger Ersatz des befallenen Nagels möglich

Ein Zehennagel wächst nur etwa 1 mm pro Monat – Heilung erfordert also Geduld.
Hygiene, Schuhdesinfektion, atmungsaktive Materialien und regelmäßige Podologie-Kontrollen sind entscheidend, um Rückfälle zu vermeiden.


FAQ – Häufige Fragen

Wann reicht ein Lack, wann brauche ich Tabletten?
➡ Wenn weniger als die Hälfte des Nagels betroffen und kein Matrixbefall vorliegt, kann eine Lackbehandlung genügen.
Sobald der Befall matrixnah oder > 50 % ist, ist eine systemische Therapie erforderlich.

Ist Terbinafin gefährlich für die Leber?
➡ Schwere Leberschäden sind extrem selten. Trotzdem sollten vor und während der Therapie Leberwerte kontrolliert werden.

Wie lange dauert die Behandlung?
➡ Tabletteneinnahme meist 6–12 Wochen, vollständige Heilung 9–12 Monate.

Kann Laser oder Kaltplasma allein helfen?
➡ Nein, sie sind unterstützende Verfahren. Der Grundstein bleibt immer die antimykotische Therapie.


Fazit – Evidenz statt Hoffnung

  • Freiverkäufliche Mittel wirken kaum.
  • Eine exakte Diagnose und individuelle Therapieplanung sind entscheidend.
  • Terbinafin bleibt die wirksamste systemische Therapie bei ausgedehntem Befall.
  • Matrixnähe und > 50 % Befall sind klare Indikationen für Tabletten.
  • Laser und Kaltplasma sind wertvolle Ergänzungen, aber keine Standardtherapien.
  • Erfolg braucht Zeit, Konsequenz und regelmäßige Podologie.

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