Bild: Migräne triggern

Migräne und Akupunktur

Akupunktur zur Migräne-Prophylaxe – Was Patientinnen und Patienten wissen sollten

Migräne ist für viele Betroffene eine große Belastung: wiederkehrende Kopfschmerzen, Einschränkungen im Alltag und die Angst vor der nächsten Attacke bestimmen oft das Leben. Die gute Nachricht: Neben Medikamenten gibt es weitere Behandlungsmöglichkeiten, die helfen können, Migräne vorzubeugen. Eine davon ist die Akupunktur. Doch was sagt die Wissenschaft dazu – und was können Patientinnen und Patienten konkret daraus mitnehmen?

1. Akupunktur im Vergleich zu Medikamenten

Studien zeigen: Akupunktur ist der medikamentösen Prophylaxe mindestens ebenbürtig.

  • Bei wichtigen Kriterien wie Häufigkeit der Kopfschmerzen, Anzahl der Migränetage und Schmerzmittelverbrauch schneidet Akupunktur nicht schlechter ab.
  • Bei der Kopfschmerzintensität und der Ansprechrate am Ende der Behandlung gibt es sogar Hinweise auf Vorteile der Akupunktur.
  • Zudem ist die Behandlung besser verträglich: Weniger Patientinnen und Patienten berichten über Nebenwirkungen oder brechen die Therapie ab.

👉 Fazit: Akupunktur kann eine gute Alternative sein – besonders, wenn Medikamente nicht vertragen werden oder zu viele Nebenwirkungen verursachen.

2. Akupunktur im Vergleich zu keiner Behandlung

Wenn Akupunktur mit einer Warteliste oder gar keiner Behandlung verglichen wird, sind die Ergebnisse eindeutig:

  • Für fast alle wichtigen Endpunkte (z. B. Häufigkeit der Migräneattacken, Ansprechrate, Intensität der Schmerzen) zeigt Akupunktur einen klaren Vorteil.
  • Schwerwiegende Nebenwirkungen treten nicht häufiger auf.

👉 Fazit: Wer nichts gegen seine Migräne unternimmt, verpasst mit der Akupunktur eine nachweislich hilfreiche Möglichkeit zur Vorbeugung.

3. Akupunktur im Vergleich zur Scheinakupunktur

Hier wird es komplizierter:

  • Ein statistisch signifikanter Vorteil der echten Akupunktur zeigt sich lediglich bei der Ansprechrate.
  • Für andere Kriterien wie Migränetage oder Schmerzmittelverbrauch gab es keine Unterschiede.
  • Allerdings: Auch die Scheinakupunktur löst durch den Behandlungskontext und die Patientenerwartung starke Placeboeffekte aus.

👉 Fazit: Akupunktur wirkt – ob durch die Nadeln selbst oder auch durch die Rahmenbedingungen. Für Betroffene zählt vor allem, dass es hilft.

4. Gesamteinschätzung – Für wen ist Akupunktur geeignet?

  • Die Fachgesellschaften bewerten die Akupunktur zur Migräneprophylaxe tendenziell positiv.
  • Sie wird in den Leitlinien empfohlen, wenn Medikamente wie Topiramat oder Propranolol nicht geeignet oder wirksam sind – oder wenn Patientinnen und Patienten eine medikamentöse Therapie ablehnen.
  • Empfohlen wird ein Kurs von bis zu 10 Sitzungen in 5 bis 8 Wochen.

👉 Besonders geeignet ist Akupunktur für Menschen, die

  • mäßig bis häufig Migräneattacken haben,
  • Medikamente nicht vertragen,
  • oder ergänzend zur Lebensstiländerung (z. B. regelmäßigem Ausdauersport) eine weitere wirksame Maßnahme suchen.

5. Wichtig zu wissen

  • Die Wirksamkeit der Akupunktur stützt sich auch auf subjektive Angaben der Patientinnen und Patienten. Da in manchen Studien keine Verblindung möglich war, können diese Ergebnisse beeinflusst sein.
  • Trotzdem gilt: Akupunktur ist eine sichere, gut verträgliche und wirksame Option in der Migräneprophylaxe.

💡 Fazit für Patientinnen und Patienten

Akupunktur kann Migräne nicht heilen – aber sie kann helfen, Attacken zu reduzieren, die Schmerzintensität zu senken und den Medikamentenverbrauch zu verringern. Sie ist gut verträglich, leitliniengerecht empfohlen und stellt eine echte Alternative oder Ergänzung zu Medikamenten dar. Wer unter Migräne leidet, sollte mit seiner Ärztin oder seinem Arzt besprechen, ob Akupunktur als Teil der Behandlung infrage kommt.


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1. Was ist Migräne und wie wird sie diagnostiziert?

Migräne ist eine primäre Kopfschmerzart, die durch wiederkehrende Attacken von 4 bis 72 Stunden Dauer gekennzeichnet ist. Typische Symptome sind mäßige bis starke, einseitige, pulsierende Kopfschmerzen, die durch körperliche Aktivität verstärkt werden können und oft mit Übelkeit, Erbrechen und/oder Licht- und Lärmempfindlichkeit einhergehen. Die Internationale Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen (ICHD) unterscheidet zwischen Migräne ohne Aura (gewöhnliche Migräne) und Migräne mit Aura (klassische Migräne), wobei Aura reversible visuelle, sensorische oder andere zentrale Nervensystem-Symptome beschreibt, die der Kopfschmerzphase vorausgehen oder sie begleiten. Chronische Migräne wird definiert als Kopfschmerz an 15 oder mehr Tagen pro Monat über mehr als 3 Monate, wobei an mindestens 8 Tagen Migränesymptome vorliegen. Die genauen Ursachen sind noch nicht vollständig erforscht, aber genetische, umweltbedingte und psychologische Faktoren spielen eine Rolle.

3. Was ist klassische Körperakupunktur und wie wird sie durchgeführt?

Klassische Körperakupunktur ist eine Behandlungsmethode der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und das weltweit am weitesten verbreitete alternativmedizinische Verfahren. Die Grundidee ist, Störungen des Energieflusses („Qi“) im Körper zu beseitigen, indem Nadeln in spezifische Akupunkturpunkte auf sogenannten Leitbahnen (Meridianen) gestochen werden. In der TCM gibt es fast 400 solcher Punkte. Bei einer Sitzung werden bis zu 20 Nadeln gesetzt, die für 20 bis 40 Minuten verbleiben. Die Anzahl der Sitzungen wird individuell festgelegt. In Deutschland darf Akupunktur von entsprechend ausgebildeten Ärzt:innen, Heilpraktiker:innen und Hebammen privat abgerechnet werden. Für Kassenleistungen bei bestimmten chronischen Schmerzen (z.B. Lendenwirbelsäule, Kniegelenke) sind bis zu 10, in Ausnahmefällen bis zu 15 Sitzungen vorgesehen.

5. Ist Akupunktur wirksamer als medikamentöse Migräne-Prophylaxe?

Die Akupunktur zur Migräne-Prophylaxe zeigt sich in der vorliegenden Evidenz als nicht-unterlegen gegenüber der medikamentösen Prophylaxe hinsichtlich der Kopfschmerzhäufigkeit, Migräneattacken und -tage sowie des Schmerzmittelbedarfs. Für die Ansprechrate (mindestens 50% Reduktion der Migränetage pro Monat) zum Behandlungsende und die Kopfschmerzintensität wurde sogar ein Vorteil der Akupunktur festgestellt. Ein wichtiger Aspekt ist das Schadensprofil: Akupunktur war mit signifikant weniger Therapieabbrüchen aufgrund unerwünschter Ereignisse und insgesamt weniger berichteten unerwünschten Ereignissen verbunden als die medikamentöse Prophylaxe. Schwere unerwünschte Ereignisse waren in beiden Gruppen selten und ohne signifikanten Unterschied. Aufgrund dieser Nutzen-Schaden-Bilanz wird ein Vorteil der Akupunktur gegenüber der medikamentösen Prophylaxe abgeleitet.

2. Wie verbreitet ist Migräne in Deutschland und welche konventionellen Behandlungsmethoden gibt es?

Migräne ist weltweit eine der häufigsten Kopfschmerzarten. In Deutschland liegt die Prävalenz von selbstberichteter oder wahrscheinlicher Migräne bei 23,5 % der Erwachsenen. Frauen sind mit 28,4 % häufiger betroffen als Männer (18,0 %), und jüngere Personen häufiger als ältere. Die Behandlung akuter leichter bis mittelstarker Migräneattacken erfolgt primär mit rezeptfreien Schmerzmitteln wie Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Paracetamol oder koffeinhaltigen Kombinationspräparaten. Bei chronischem oder übermäßigem Gebrauch von Schmerzmitteln besteht jedoch das Risiko medikamenteninduzierter Kopfschmerzen. Zur medikamentösen Prophylaxe werden Betablocker (Propranolol, Metoprolol), Kalziumantagonisten (Flunarizin), Antiepileptika (Valproinsäure, Topiramat) oder Antidepressiva (Amitriptylin) empfohlen. Seit 2019 sind auch monoklonale Antikörper zur Migräneprophylaxe zugelassen (Eptinezumab, Fremanezumab, Erenumab, Galcanezumab), deren Kostenerstattung durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) unter bestimmten Bedingungen möglich ist. Nicht-medikamentöse Maßnahmen wie regelmäßiger aerobes Ausdauertraining und psychologische Verfahren (Entspannungsverfahren, Biofeedback, kognitive Verhaltenstherapie) werden immer in Kombination mit medikamentöser Prophylaxe empfohlen und weisen eine höhere Akzeptanz auf.

4. Welche Kosten entstehen bei einer Akupunkturbehandlung zur Migräne-Prophylaxe?

Die Akupunktur zur Migräne-Prophylaxe wird als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) privat abgerechnet, da sie nicht direkt von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen wird. Die Abrechnung erfolgt nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) über die Ziffer 269 („Akupunktur zur Behandlung von Schmerzen“) für 11,66 € pro Sitzung oder über Ziffer 269a („Akupunktur mit einer Mindestdauer von 20 Minuten zur Behandlung von Schmerzen“) für 20,40 € pro Sitzung (jeweils einfacher Satz). Ärzt:innen können den Steigerungsfaktor der GOÄ zwischen 1,0 und 2,3 wählen, in begründeten Fällen auch bis zu 3,5. Zusätzlich können Kosten für Beratung oder Anamnese anfallen. Im Jahr 2018 betrugen die durchschnittlichen Patient:innenkosten für eine Akupunkturbehandlung 133,50 €.

6. Ist Akupunktur wirksamer als keine prophylaktische Behandlung (Warteliste)?

Ja, die Akupunktur zur Migräne-Prophylaxe zeigt einen Vorteil gegenüber keiner prophylaktischen Behandlung oder einer Warteliste. Für die meisten Endpunkte, einschließlich Migräneattacken, Ansprechrate, Kopfschmerzhäufigkeit und -intensität, wurde ein statistisch signifikanter und klinisch relevanter Nutzen der Akupunktur festgestellt. Hinsichtlich der Schadensendpunkte gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen Akupunktur und keiner Prophylaxe, was darauf hindeutet, dass Akupunktur ein komplikationsarmes Verfahren ist. Trotz der Einschränkung durch die fehlende Verblindung der Patient:innen in vielen Studien bei selbstberichteten Endpunkten, überwiegt der Nutzen den möglichen Schaden, was zu einem insgesamt positiven Hinweis auf den Nutzen führt.

Quelle: Igelmonitor: https://www.igel-monitor.de/fileadmin/user_upload/Evidenzbericht_ausfuehrlich_Akupunktur_Migraene.pdf

Audiozusammenfassung: notebooklm.google.com

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Bild: Dr.Karpienski

Dr. med. Herbert Karpienski

Herbert Karpienski ist Facharzt für Anästhesiologie, führt seit 1996 ambulante Narkosen durch und war bis 2020 über zehn Jahre im Rettungsdienst tätig. 2014 erwarb er das Zertifikat Leitender Notarzt. Zudem beschäftigt er sich mit podologischen Themen und bildet sich darin kontinuierlich fort.

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